Die neue Landesbauordnung NRW 2018 – was ändert sich ab 2019?

Das große Ziel lag in einer stärkeren Orientierung an der Musterbauordnung (MBO) und damit an einer Annäherung an die Bauordnungen der übrigen Bundesländer.

Maßgebliche Ansätze sind:

– das Bauordnungsrecht zu vereinfachen

– die Baukosten zu reduzieren

– das Verfahren zu beschleunigen

– den Wohnungsbau zu fördern

 

Einführung von Gebäudeklassen

Wurde bislang unterschieden zwischen Gebäuden geringer und mittlerer Höhe sowie Hochhäusern, werden nunmehr insgesamt 5 Gebäudeklassen eingeführt. Die Vorschriften der BauO NRW beziehen sich entsprechend auf diese Gebäudeklassen.

ALT > Gebäudeklassifizierung nach § 2 Abs. 3 BauO NRW (alt)

  • Gebäude geringer Höhe: Fußboden keines Geschosses mit Aufenthaltsräumen liegt im Mittel > 7 m über der Geländeoberfläche
  • Gebäude mittlerer Höhe: Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes liegt im Mittel > 7 m und nicht > als 22 m über der Geländeoberfläche
  • Hochhaus: Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes > 22 m über der Geländeoberfläche

NEU > Gebäudeklassen, § 2 Abs. 3 BauO NRW (neu)

  • Gebäudeklasse 1: freistehend, max. 7 m hoch und 2 Nutzungseinheiten insgesamt nicht mehr als 400 qm Grundfläche >> Ein- und Zweifamilienhäuser  >  oder freistehende land- und forstwirtschaftlich genutzte (Betriebs-)Gebäude vergleichbarer Nutzung ohne quantitative Begrenzung
  • Gebäudeklasse 2: wie Gebäudeklasse 1 (bis 2 NE + 400 qm GF); jedoch nicht freistehend; keine land- und forstwirtschaftliche Nutzung
  • Gebäudeklasse 3: alle Gebäude bis 7 m Höhe, die nicht unter GK 1 oder GK 2 fallen, d.h. mit mehr als 2 NE und/oder mehr als 400 qm Grundfläche, z.B. Geschossbau
  • Gebäudeklasse 4: max. 13 m hoch max. 400 qm je Nutzungseinheit
  • Gebäudeklasse 5: alle sonstigen Gebäude unterirdische Gebäude
  • Hochhäuser: ergänzend in § 50 Abs. 2 Nr. 1 definiert (Sonderbauten) > 22 m (wie bisher)

(„Höhe“ = Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel. „Grundfläche“ = Brutto-Grundfläche ohne Keller.)

 

Definition eines Vollgeschosses

ALT > Regelung gemäß § 2 Abs. 5 BauO NRW (alt):

  • Vollgeschosse sind Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein gegenüber den Außenwänden des Gebäudes zurückgesetztes oberstes Geschoss (Staffelgeschoss) ist nur dann ein Vollgeschoss, wenn es diese Höhe über mehr als zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses hat.
  • Ein Geschoss mit geneigten Dachflächen ist ein Vollgeschoss, wenn es diese Höhe über mehr als drei Viertel seiner Grundfläche hat. Die Höhe der Geschosse wird von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüber liegenden Decke, bei Geschossen mit Dachflächen bis Oberkante Dachhaut gemessen.

NEU > Neue Regelung, § 2 Abs. 6 BauO 2018:

Der Begriff des Staffelgeschosses wird gestrichen und durch eine neue Definition für ein Vollgeschoss ersetzt.

  • Bislang war in der Bauordnung ein Geschoß ein Staffelgeschoß, wenn es gegenüber den Außenwänden des Gebäudes zurückgesetzt ist und wenn es mindestens eine Höhe von 2,30 Metern über zwei Drittel des darunter liegenden Geschoßes hat.
  • Sowohl der Begriff „Staffelgeschoss“ als auch der Begriff „zurückgesetzt“ finden sich in der neuen Bauordnung nicht mehr. Diese spricht nur noch von Vollgeschoßen.
  • Ein oberstes Vollgeschoss ist dann ein Vollgeschoß, wenn es eine Höhe von 2,30 Metern über mehr als zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschoßes hat (Vollgeschosse sind oberirdische Geschoße, die eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein Geschoß ist nur dann ein Vollgeschoss, wenn es die in Satz 1 genannte Höhe über mehr als drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschoßes hat).
  • Die Streichung des Wortes „oberstes“ bewirkt, dass gestapelte Geschoße keine Vollgeschoße mehr sind, solange sie nur drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschoßes nicht überschreiten.
  • Mit anderen Worten, ein oberes Nicht-Vollgeschoß muss nicht, wie bisher, insgesamt zurückgesetzt geplant werden sondern kann auch auf den Außenmauern der darunter liegenden Geschoße aufgebaut werden.
  • Für das Vollgeschoß soll künftig nicht mehr auf das Maß zwischen den Fußbodenoberkanten abgestellt werden, sondern die lichte Höhe des Geschoßes.
  • Die Bauleitplanung kann darauf reagieren, indem sie in Bebauungsplänen vermehrt auf Gebäudehöhen abzielt und weniger auf Geschoßigkeiten oder aber gestalterische Vorschriften in B-Pläne aufnimmt.

 

Weitere Begriffe und Allgemeine Anforderungen, §§ 2 bis 4

Dämmung § 4 Abs. 2

  • an Außenwand und Dach im Rahmen der EnEV darf jetzt bei bestehenden Gebäuden auch baurechtlich über die Grundstückgrenze ragen – Synchronisierung mit § 23a NachbG NRW > Achtung nicht mit§ 6 Abs. 14 (alt) bzw. Abs. 7 (neu) verwechseln. Dort geht es um eine zulässige Reduzierung der Tiefe der Abstandsfläche durch eine nachträgliche Dämmung.

Abstandsflächen, § 6

Am Grundsatz, dass vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen zu den Nachbargrenzen freizuhalten sind, wird festgehalten. Festsetzungen im Bebauungsplan (geschlossene Bauweise, Baulinien, Baugrenzen) haben selbstverständlich Vorrang. Das bisherige abstandsflächenrechtliche Anforderungsniveau wird aber in Angleichung an die Musterbauverordnung deutlich vermindert.

Bei Wohngebäuden der Gebäudeklasse 1 und 2 mit nicht mehr als 3 oberirdischen Geschossen gilt schlicht der Mindestabstand von 3 m (Mindesttiefe unverändert 3 m (§ 6 Abs. 5); weiterhin mehrere redaktionelle Änderungen und neue Reihenfolge.

z.B. § 6 Abs. 12 BauO 2018 ermöglicht den Ersatzneubau:

  • an gleicher Stelle Kubatur/ Größe des Bestandsgebäudes,
  • selbst wenn Abstandflächen nicht eingehalten
  • bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Verhältnisse

Die Tiefe der Abstandfläche beträgt mindestens 3 Meter und errechnet sich grundsätzlich aus der Wandhöhe multipliziert mit einem Faktor.

Begrenzung der Wandlänge auf 16 m entfällt (Abs. 6 alt, Nachfolgeregelung des sog. Schmalseitenprivilegs).

Abstandsflächen im Allgemeinen zu Privatgrundstücken, öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen

Baugebiete § 1 Abs. 2 BauNVO Allgemein zu öff. Verkehrsflächen
Faktor ALT Faktor NEU Faktor ALT Faktor NEU
Reines Wohngebiet (WR) 0,8 0,4 0,4 0,4
Allgemeines Wohngebiet (WA) 0,8 0,4 0,4 0,4
Mischgebiet (MI) 0,8 0,4 0,4 0,4
Urbanes Gebiet (MU) 0,8 0,4 0,4 0,2
Kerngebiet (MK) 0,5 0,4 0,25 0,2
Gewerbegebiet (GE) 0,25 0,2 0,25 0,25  0,2
Industriegebiet (GI) 0,25 0,2 0,25 0,25  0,2

Fazit:

Abstandflächenregelungen werden an Musterbauordnung (MBO) angeglichen. Es kommt zu einer deutlichen Verminderung der Tiefe von Abstandsflächen teilweise noch über die MBO hinaus.

CHANCE > Nachverdichtung

RISIKEN > Konflikte mit den Nachbarn; Nachbarklagen

Unter den viel strengeren bisherigen Abstandflächenregelungen hat das OVG NRW die Auffassung vertreten, dass dem nachbarschützendem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (abgeleitet aus § 15 BauNVO) Genüge getan ist, sofern die bauordnungsrechtlichen Abstandregelungen eingehalten werden.

Ob das OVG NRW bei den neuen deutlich verminderten Tiefen der Abstandflächen an diesem Grundsatz festhält wird sich dann zeigen.

 

Stellplätze

ALT § 51: Stellplätze oder Garagen in ausreichender Anzahl und Größe (notwendige Stellplätze und Garagen) Orientierung an der inzwischen aufgehobenen Anlage zu Nr. 51.11 VV BauO „Richtzahlen für den Stellplatzbedarf“.

NEU § 48: Ministerium gibt durch VO Mindestbedarf vor (Abs. 2); davon kann die Gemeinde durch B-Plan oder örtliche Bauvorschrift nach oben oder unten abweichen oder auf Stellplätze komplett verzichten.

 

Barrierefreiheit

Auszug aus der Begründung des Gesetzes:

Vor dem Hintergrund der bundes- wie landespolitischen Zielsetzung, dass jeder in seiner gewohnten Umgebung so lange wie möglich selbstbestimmt zu Hause leben können dürfen muss, ist es erforderlich, den gesetzlichen wohnungsbaupolitischen Ordnungsrahmen anzupassen. […] Die Zielsetzung des neugefassten § 49 Absatz 1 ist, den Wohnungsneubau dahingehend zu verändern, dass zumindest wesentliche Barrieren vermieden werden. Insbesondere sollten solche Barrieren nicht mehr eingebaut werden, die das selbständige Wohnen im starken Maße behindern und nachträglich mur mit großem Aufwand (auch Eigentümerseitig) beseitigt werden können.

Die Barrierefreiheit muss so beschaffen sein, dass ein späterer Umbau an mögliche, weitere und darüberhinausgehende Individualbedarfe grundsätzlich besser als heute möglich sein sollte: Grundlegend ist, dass möglichst flächendeckend und weitgehend kostenneutral Wohnbauten ohne unnötige Hindernisse erstellt werden; maßgebende Bereiche sollen so gestaltet werden, dass sie bei Bedarf ohne größeren Aufwand an die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer angepasst werden können.

Barrierefreiheit, § 49

Abs. 1 in Gebäude der GK 3 bis 5 müssen Wohnungen barrierefrei und eingeschränkt mit Rollstuhl nutzbar sein (R-Standard nach DIN 18040-2 nicht verbindlich).

Abs. 2 öffentliche Gebäude (≠ Wohngebäude) müssen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein; ArbStättV bleibt unberührt.

Abs. 3 Ausnahmen bei schwierigen Geländeverhältnissen oder ungünstiger Bebauung und unverhältnismäßigem Mehraufwand möglich.

 

Brandschutz

Grundlagen / Auszug zu den wichtigsten Paragraphen:

§ 14 – Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Zur Brandbekämpfung muss eine ausreichende Wassermenge zur Verfügung stehen.

§ 26 – Baustoffe, Abs. 1 (Anforderungen an Brandverhalten)

  1. nichtentflammbar
  2. schwerentflammbar
  3. normalentflammbar
  4. brennbar/leichtentflammbar (grds. unzulässig)

Bauteile, Abs. 2 (Feuerwiderstandsfähigkeit)

  1. feuerbeständig F 90 (vormals)
  2. hochfeuerhemmend F 60 (vormals)
  3. feuerhemmend F 30 (vormals)

§  26 – Unterscheidung der Bauteile nach dem Brandverhalten ihrer Baustoffe (Abs. 2 S. 2) Ausnahme für Baustoff Holz, obwohl „brennbar“ (Abs. 3): zulässig für hochfeuerhemmende und feuerbeständige Bauteile, wenn die geforderte Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen ist und die Übertragung über Brand- und Rauchabschnitte hinaus ausgeschlossen ist.

Weiterhin beinhalten nachfolgende Paragraphen einen Bezug zu den dem Thema des Brandschutzes:

§ 27 Tragende Wände, Stützen, auch im Kellergeschoss

§ 28 Außenwände

§ 29 Trennwände

§ 30 Brandwände

§31 Decken

§32 Dächer

§33 Erster und zweiter Rettungsweg

§34 Treppen (notwendige Treppe)

§35 Notwendige Treppenräume, Ausgänge

§36 Notwendige Flure, offene Gänge

§37 Fenster, Türen, sonstige Öffnungen

 

Verfahren

  • Genehmigungsfreistellungsverfahren bleibt erhalten, § 63
  • Prüfungsumfang der Baubehörde bleibt unverändert
  • Neu: referentielle Baugenehmigung, § 66 Abs. 5
  • Erklärung staatlich anerkannter SV müssen mit der Baubeginnanzeige eingereicht werden, dass diese mit der stichprobenartigen Kontrolle beauftragt wurden, § 68 Abs. 1
  • Abweichungen erleichtert, wenn sie der Einsparung von Wasser oder Energie bzw. der Schaffung von Wohnraum dienen, § 69
  • Bauantrag kann elektronisch eingereicht werden, wenn die Behörde diesen Zugang eröffnet, § 70
  • Baubehörde muss bei unvollständigen oder mangelhaften Bauvorlagen angemessene Frist – max. 2 Monate – zur Behebung setzen. Nach Ablauf der Frist gilt der Bauantrag als zurückgenommen,§ 71
  • Benachrichtigte Angrenzer müssen innerhalb von 2 Wochen Stellung nehmen, § 72 Abs. 1
  • Nachbarbeteiligung im Wege der öffentlichen Bekanntmachung, § 72 Abs. 3
  • Bauherr ist alleine für die Baubeginnanzeige verantwortlich, § 74 Abs. 9
  • Verlängerung der Geltungsdauer des Bauvorbescheides auf 3 Jahre, § 77

§ 62 Genehmigungsfreie Vorhaben (auszugsweise) >> wichtig ist zu wissen, das auch hier eine Informationspflicht / Vorhabeneinreichung seitens des Bauherren gegenüber den zuständigen Behörden besteht – ggfs. Unterlagen durch eine fachkundige Person zu erstellen sind.

  • Garagen bzw. Carports bis 30 qm und 3 m Wandhöhe
  • Abstellgebäude bis 75 cbm anstatt 30 cbm
  • Terrassenüberdachungen bis 30 qm, 4,50 m Tiefe (GK 1 bis 3)
  • Balkonverglasungen und -überdachungen (GK 1 bis 3), sofern ein Mindestabstand von 3 m zur Nachbargrenze besteht
  • Fenster- und Türöffnungen, Nr. 11 c)

Alle vorgenannten Punkte sind auszugsweise dargestellt und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit – eher ist dies als kurze, vorab erklärende Darstellung zu betrachten, welche eine vertiefende Auseinandersetzung mit der „NEUEN Bauordnung NRW“ nach sich ziehen sollte. Basierend auf der intensiven Auseinandersetzung (mit der vorgenannten BauO NRW, aufbauend auf diversen Informationsquellen) wurde dieser kurze Exkurs zusammengestellt.

Gerne steht der Verfasser für einen Austausch oder Diskurs zur Verfügung – weiterhin auch für Anregungen oder Informationen.

Die jeweils aktuelle Landesbauordnung NRW ist auf der Internetseite des „Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen“ zu finden:

https://recht.nrw.de

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=74820170630142752068

Weiterhin ist die BauO NRW 2000 zur Gegenüberstellung unter dem nachfolgen Link zu finden:

http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?t=154719719506920250&sessionID=17484929254724521&chosenIndex=Dummy_nv_68&templateID=document&source=context&source=context&highlighting=off&xid=166765,1

 

Download PDF – ALTE BauO NRW (2000 > letzte Änderung 15. Dezember 2016) :

http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?t=154720301472207916&sessionID=17484929254724521&templateID=chtmltopdf&xid=166765,1

Download PDF – NEUE BauO NRW (ab 2019):

http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?t=154720358879377013&sessionID=17484929254724521&templateID=chtmltopdf&xid=8101994,1,20190101