Grundgedanke
Die ursprünglichen Intentionen von Henry van de Velde und Walter Gropius waren, die Kunst von der Industrialisierung zu emanzipieren und das Kunsthandwerk wiederzubeleben. Damit bildeten sie einen Gegenentwurf zur Ästhetik des Historismus, in der kunsthandwerklich entwickelte Ornamente durch industrielle Massenproduktion seriell kopiert wurden. Mit dem Begriff „Kunst“ wurde nicht die damalige Avantgarde bezeichnet, sondern die Formensprache der zeitgenössischen Entwerfer für die Produktion im Stil vergangener Epochen. Mit der Rückbesinnung auf das Handwerk war die gestalterische Intention damit verbunden, experimentell und manuell eine neue Formensprache zu entwickeln, die dem industriellen Herstellungsprozess gerecht wird.
Ein Leitbild des Bauhauses war, die Architektur als Gesamtkunstwerk mit den anderen Künsten zu verbinden. Deshalb verkündete das Bauhaus im Gründungsmanifest von 1919 auch: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau“. Im Laufe der Entwicklung resultiert jedoch besonders das heutige Industrie- und Grafikdesign aus diesen Ideen. In der Architektur hat sich das modulare Bauen nicht nur bei Industrieanlagen, sondern auch bei der Schaffung günstigen Wohnraums zum Beispiel in Satellitenstädten von Megametropolen durchgesetzt.
Das „Staatliche Bauhaus“ war vom Gründer Walter Gropius als eine Arbeitsgemeinschaft gedacht, in der die Unterscheidung zwischen Künstler und Handwerker aufgehoben werden sollte. Durch ihr Schaffen wollten die Mitarbeiter des Bauhauses gesellschaftliche Unterschiede beseitigen und zum Verständnis zwischen den Völkern beitragen. In Intention und Ergebnissen bestanden damit vielfältige Ähnlichkeiten und Verbindungen mit dem 1907 gegründeten Deutschen Werkbund, dessen Mitglied Walter Gropius bis 1933 war.
„Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! […] Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! […] Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.“ – Walter Gropius: Bauhaus-Manifest
Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 erfolgreich eröffnet (Weimar/Berlin, 16.01.2019)
Mit einer Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der Uraufführung des Konzerts „BAU.HAUS.KLANG. Eine Harmonielehre“ von Michael Wollny & Guests wurde am gestrigen Abend in der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg das große Bauhaus-Jubiläumsjahr eröffnet.
Die künstlerische Leiterin des Eröffnungsfestivals, Bettina Wagner-Bergelt, hat ein Programm zusammengestellt, das in einer Vielzahl von Formaten neue Begegnungen mit der Bauhaus-Bühne ermöglicht: von den herausragenden historischen Zeugnissen des Bauhauses bis zur heutigen Avantgarde.
Der Schirmherr des Festivals, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sagte in seiner Rede: „Das Vermächtnis des Bauhauses ist nicht, retrospektiv eine vergangene Moderne absolut zu setzen, sondern eine neue Moderne zu gestalten, mit neuen Erkenntnissen, mit den Erfahrungen, die wir seither gemacht haben, mit den Bedürfnissen und Träumen der Menschen von heute.“
Bereits im Vorjahr wurde an verschiedenen Orten und bei zahlreichen Gelegenheiten auf das Bauhaus-Jubiläum eingestimmt. Ausstellungen wie „Anni Albers“ in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf und der Tate Modern in London oder „50 Jahre nach 50 Jahre Bauhaus“ im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart sowie das internationale Forschungs- und Ausstellungsprojekt „bauhaus imaginista“ mit Stationen u.a. in Sao Paulo, Moskau, Hangzhou, Kyoto und Lagos – die Gesamtschau wird am 14.3.19 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin eröffnet – regten die öffentliche Auseinandersetzung mit einem breiten Spektrum aktueller Fragen an, etwa zur Rolle der Frau im Kunst- und Architekturbereich wie auch in der Gesellschaft, zur Rezeption des Bauhauses und zum Spannungsfeld von Mythos und Realität sowie zur globalen Verflechtung des Bauhauses.
Begleitend zum Eröffnungsfestival veranstaltet des Haus der Kulturen der Welt in Kooperation mit ARCH+ die Diskussionsveranstaltung „Wie politisch ist das Bauhaus?“ am 19. Januar 2019 von 14 bis 21:30 Uhr. Das Themenspektrum reicht von der Pädagogik und Erziehung der Gesellschaft über die Wohnungsfrage und Stadtentwicklung sowie die Emanzipation und Internationalisierung bis hin zur politischen Rolle kultureller Institutionen. Was können Institutionen, die heute unter Beschuss von rechts stehen, aus der Geschichte des Bauhauses lernen? Eine Kooperation von Haus der Kulturen der Welt und ARCH+, kuratiert von Bernd Scherer, Christian Hiller, Anh-Linh Ngo. Begleitend zum Eröffnungsfestival 100 jahre bauhaus. Gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
In Weimar ist parallel zum Eröffnungsfestival als Vorbote der Eröffnung des neuen Bauhaus-Museums am 5. April das Haus Am Horn mit einer Tafelausstellung zur Hausgeschichte für Besucher geöffnet (15. bis 20. Januar 2019, jeweils von 10 bis 16 Uhr). Die UNESCO-Bauhausbauten in Dessau werden am 18. April 2019 neu eröffnet. Der Besucher erfährt an beiden Orten, wie experimentell und utopisch das Bauhaus dachte, wenn es um die Architektur als angewandte Gestaltung für ein neues, modernes Leben ging.
Weitere Stimmen zum Eröffnungsfestival und zum Jubiläumsjahr:
Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien: „Die Bauhaus-Kultur war nicht nur eine Schule des Sehens und ein Angebot, in der Architektur und im Design neue Formen auszuprobieren, sondern sie war eine ganz umfassende gesellschaftliche Schule der Moderne. Man darf nicht vergessen, dass sie im Jahre 1919 nach dem Ersten Weltkrieg groß geworden ist – in einer Zeit, als ganz Europa verwüstet war und in der man Orientierung suchte. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Kultur, dieser Aufbruch und dieser Mut einhundert Jahre später bis heute ihre Relevanz nicht eingebüßt haben. Dies für die nächsten Generationen zu erschließen, muss ein Jubiläum leisten, wenn es nicht nur affirmativ, sondern nachhaltig sein will. Dabei ist es ganz wichtig für den Bund, dass wir in Dessau, Weimar und beim Bauhaus-Archiv in Berlin den Neubau von drei Museen unterstützen. Aus unserem kulturellen Selbstverständnis erwächst die Aufgabe, in Deutschland und auch darüber hinaus an die Geschichte des Bauhauses zu erinnern, sie zu vermitteln, aber auch zu hinterfragen, was das Bauhaus heute noch zu leisten vermag.“
Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes: „Wir haben ein Jubiläumsjahr lang Zeit, zu feiern und zu verstehen, wie das Bauhaus das Neue in die Welt gebracht hat. Jetzt freuen wir uns auf ein Auftaktfestival, das zunächst vor allem die Bauhausbühne in den Mittelpunkt rückt und damit auch die Experimentierfreude, die Radikalität und den Gemeinschaftssinn, mit dem gerade die performativen Künste – damals wie heute – am status quo zu rütteln vermögen.“
Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen und diesjähriger Kuratoriumsvorsitzender des Bauhaus Verbundes 2019: „Mit dem Bauhaus begann 1919 in Weimar eine utopiefreudige Erneuerung von Architektur und Design, die gerade in den Anfangsjahren für viele unterschiedliche, oft auch gegensätzliche Einflüsse offen war. Die Bauhäuslerinnen und -häusler reflektierten mit ihren Entwürfen die sozialen, kulturellen und ökonomischen Probleme ihrer Zeit und legten Orientierungsangebote vor, die damals polarisierten, heute jedoch weltweit anerkannt sind. Das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum lädt dazu ein, die Orte des Bauhauses und der Moderne kennenzulernen oder neu zu entdecken. Kulturinteressierte aus aller Welt haben die Möglichkeit, zu den Wurzeln der Moderne anhand von Baudenkmalen, Designstücken, Architekturmodellen, Zeichnungen und Malerei vorzudringen. Das Jubiläum bietet aber auch einen guten Anlass, darüber nachzudenken, wie menschenwürdiges, umweltverträgliches und bezahlbares Bauen in einer globalisierten Welt aussehen sollte.“
Allgemeine Informationen zum Bauhaus-Jubiläum
Experimentierfeld und Ideenschule: Das Jubiläumsjahr bietet zahlreiche Veranstaltungen zu Architektur und Gestaltung, Kunst und Kulturgeschichte, Bildung und Forschung – darunter das internationale Forschungs- und Ausstellungsprojekt bauhaus imaginista, die Grand Tour der Moderne – eine deutschlandweite Route der Moderne wie auch das Vermittlungsprogramm Bauhaus Agenten. Drei zentrale Überblicksausstellungen in Dessau, Weimar und Berlin werden flankiert von zahlreichen Ausstellungsprojekten in elf verschiedenen Bundesländern. Die drei dem Bauhaus gewidmeten Museumsneubauten in Berlin (2022), Weimar (2019) und Dessau (2019) tragen dessen Ideenschule gut gesichert in die Zukunft. Und so wird das Programm auch nicht die eine große Bauhaus-Geschichte, sondern ein Zusammenspiel von Positionen und Perspektiven darbieten, die durchaus im Widerstreit liegen können.
Das umfangreiche Programm von rund 600 Veranstaltungen in diesem Jahr ist in einer handlichen Programmbroschüre mitsamt ausgewählten Empfehlungen aufbereitet.
www.bauhaus100.de/veroeffentlichungen/publikationen/
Alle weiteren Informationen zum Programm finden Sie unter
www.bauhaus100.de/presse
Der Bauhaus Verbund 2019
Der Bauhaus Verbund 2019 ist eine Arbeitsgemeinschaft der drei sammlungsführenden Bauhaus-Institutionen – dem Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in Berlin, der Stiftung Bauhaus Dessau und der Klassik Stiftung Weimar – des Bundes, vertreten durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Kulturstiftung des Bundes (KSB), sowie elf Bundesländern. Derzeit gehören dem Verbund die Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an.
Quelle & Fotos: S.Collerius, https://de.wikipedia.org/wiki/Bauhaus, https://www.bauhaus100.de/presse/pressemitteilungen/, https://pixabay.com/de/photos/bauhaus/